Wie schon angekündigt, gibt es am 11. November ein seltenes Phänomen: von der Erde aus gesehen schiebt sich Merkur durch die Sonnenscheibe.
Merkur (wie auch Venus) Transite über die Sonne haben einen ähnlichen Effekt wie totale Sonnenfinsternisse. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass sich nur ein kleiner schwarzer Punkt quer durch die Sonnenscheibe schiebt und man es kaum mitbekommt, weil die Sonne sich nicht verdunkelt.
Die Sonne ist die Quelle des Lichts und des Lebens für das Leben auf der Erde. Merkur repräsentiert unseren mind, unseren Denkprozess, unsere Wahrnehmung, unsere Kommunikation, wie wir anderen vermitteln, wer wir sind, indem wir ihnen mitteilen, was wir denken, sagen und tun. Merkur-Sonnen Transite verbinden Denken (Merkur) und Bewusstsein (Sonne), sie beschleunigen und vergrössern die Möglichkeiten, uns mit der Quelle des Lichts und des Lebens zu verbinden und neue Arten des Denkens, Sprechens und Kommunizierens zu entwickeln.
Die „Mini“-Sonnenfinsternis am 11. November findet auf 19 Grad Skorpion statt. Es geht darum, dass wir das, was wir sagen und denken, tief zu ergründen. Die Kernfrage ist: Was hat für uns am meisten Energie und was ist tot oder am Sterben. Es geht darum, unsere kreative Kommunikation in eine neue Balance zu bringen.
Wir können am 11. November die Funktionen des Merkur in Reinkultur beobachten, in unseren mentalen Prozess tiefe Einblicke erhalten, wenn die Sonne Merkur im tiefsinnigen, leidenschaftlichen und intensiven Skorpion beleuchtet.
Merkur im Skorpion, speziell wenn rückläufig (am 31. Oktober war Merkur stationär rückläufig (27°38′ Skorpion) und wird am 20. November stationär direkt sein (16°06′ Skorpion)), verstärkt unseren leidenschaftlichen Denkapparat. Merkur im Skorpion ist daran interessiert und will sich mit dem beschäftigen, was am aufregensten und spannendsten ist, was am meisten Lebensenergie hat, was sozusagen am „saftigsten“ ist, am meisten „umpf“ hat, uns am meisten „anmacht“.
Wenn wir herausfinden, was uns am meisten liegt, müssen wir uns zwangsläufig auch damit beschäftigen, was an unseren langjährigen Denkprozessen und Kommunikationsverhalten langweilig ist, alt, halb oder ganz tot oder schon am verrotten. Wir kommen nicht drum rum, zu erkennen, was erneuert werden muss, was wir entlassen müssen, so dass die neuen, saftigen, energiereichen Kommunikationsmöglichkeiten Platz bekommen.
Wie schon im Samhain Blog und im letzten newsletter erwähnt: Der Tod ist in unserer Gesellschaft ein grosses Tabuthema und eine verzerrte Schreckensgestalt. Uns wurde beigebracht, dass Tod etwas Schreckliches ist, dass das Dunkle gefährlich und böse ist, dass wir vor dem Tod besser weglaufen sollen. Diverse Kontrollmechanismen wurden erschaffen, um den Tod zu bannen. Alles zu Unrecht. Der Tod ist ständig präsent und unser steter Begleiter. Das, wovon wir wegrennen sollen, ist der grösste Lehrer, den wir haben.
Jeden Moment stirbt ein Moment und wird ein neuer Moment geboren. Jeder Tag stirbt in die Nacht und ein neuer wird aus der Nacht geboren. Jede Jahreszeit stirbt in die nächste. Mit jedem Ausatmen stirbt der Atemzug, und aus der Atemstille wird ein neues Einatmen geboren. Jeder Herzschlag stirbt und aus dem kurzen Moment der Stille ist ein neuer Herzschlag geboren. Wir leben absolut ständig inmitten von Leben und Sterben. Leben und Sterben findet gleichzeitig statt.
Mit Merkur im Skorpion werden wir, meist durch irgendwelche äusseren Geschehnisse, daran erinnert, dass es Zeit ist, zu stoppen und sich umzudrehen und dem Tod, der uns folgt, ins Gesicht zu sehen, so dass wir ihn umarmen und sein Geschenk annehmen können. Merkur im Skorpion schreckt vor rein gar nichts zurück – im Gegenteil, er hat ein Gespür für das, was zu tiefst wichtig ist, egal wie tief verborgen – und wenn wir uns auf ihn einlassen, können wir die Geschenke des Todes und der Transformation erkennen.
Wenn wir in schwierigen Lebenssituation stecken, tendieren wir dazu, uns zu fragen, was wir falsch gemacht haben, warum wir dies oder jenes verdient hätten oder wie wir – oh Schreck oh Schreck – mit unserem Denken die Situation (mit)gestaltet haben. Wir können aber das, was uns geschieht, auch wie eine Initiation betrachten, die uns tiefer und weiter bringen kann. Wenn wir uns einlassen, bekommen wir Zugang in unsere Gefühlswelt, in menschliche Erfahrungen, wo wir noch nie zuvor waren. Wir können jenen Ort kennen lernen, wo es darum geht, zu akzeptieren, sich zu ergeben und zu vertrauen, dass das, was geschieht, unsere Initiation ermöglicht und nichts damit zu tun hat, ob und wie gut oder schlecht wir sind.
Es braucht Mut, sich umzudrehen und dem Schatten ins Gesicht zu sehen, der uns folgt. Vom Standpunkt des Skorpions ist dies der Moment, an dem die grösste Magie und die grösste Ermächtigung möglich ist.
Fast fünfeinhalb Stunden lang wandert Merkur durch die Sonnenscheibe. Um 13.35 Uhr berührt er erstmals den Sonnenrand, zwei Minuten später ist Merkur ganz vor der riesigen Sonnenscheibe zu sehen und zieht dann langsam Richtung Sonnenmitte. Der Merkurtransit dauert bis kurz nach sieben Uhr abends, auch wenn wir das nicht mehr sehen können. Wenn bei uns die Sonne untergeht, hat Merkur erst die Mitte der Sonnenscheibe überschritten. Aber wir können die Stunden nutzen, tief zu meditieren, in mentale Prozesse und weitere Bewusstseinräume einzutauchen und fundamentale Erkenntnisse zu erlangen. Je stiller wir sind, je mehr Zeit wir uns nehmen, um so bewusster können wir uns werden, wie unser Denken erhellt werden kann.
Unser Denken steuert und bestimmt nahezu alles in unserem Leben. Dieser Merkur Transit ist ideal, um herauszufinden, ob und wo diese Steuerung richtig und heilsam für uns ist und wo unser Denken einen Platz eingenommen hat, der nicht mehr dem Leben dient, sondern das Leben und den Tod kontrolliert.
Zur Info: Merkur-Sonnen Transite finden entweder im Mai oder im November statt. November Transite finden alle 7, 13 oder 33 Jahre statt, Mai Transite alle 13 oder 33 Jahre. Das letzte Mal, dass eine Mini-Sonnenfinsternis im November stattfand, war am 8. November 2006 auf 16 Grad Skorpion statt und das nächste Mal wird es am 13. November 2032 auf 22 Grad Skorpion sein. Der nächste Mai Transit findet am 7. Mai 2049 auf 17 Grad Stier statt.
November Transite finden statt, wenn Merkur der Sonne am nächsten ist (Perihelion), Mai Transite, wenn Merkur am weitesten von der Sonne entfernt ist (Aphelion).
Beitragsbild: JAXA/NASA/PPARC – aufgenommen von Japan’s Hinode spacecraft (8. Nov. 2006, using the spacecraft’s Solar Optical Telescope instrument)